Emailtafeln
Sechs Emailtafeln um 1160/1170  Domschatz St. Stephan Leni Deinhardstein, Lisa Rastl, Dom Museum Wien

um 1160/1170
Material
Kupfer, Grubenschmelzemail, Feuervergoldung
Sammlungen
Dom Museum Wien
Inv.Nr.
L/3
Email
Tafel
Mittelalterliche Kunst
Derzeit ausgestellt
Foto
Leni Deinhardstein, Lisa Rastl, Dom Museum Wien
Sechs Emailtafeln mit christlichen Allegorien
Trotz ihrer 800 Jahre präsentieren die sechs Emailtäfelchen ihr ausgefeiltes Bildprogramm in strahlenden Farben.
Auf den beiden dreieckigen Emailtafeln sind Engel mit geflügelten Köpfen in ihren Händen dargestellt. Die Inschriften "Aquilo" und "Auster" weisen sie als Allegorien des Nord- und des Südwindes aus. Die fünfeckigen Werke zeigen in den unteren Zonen vier Frauengestalten: Dank der Attribute und der Inschriften können sie als Allegorien von Herrschertugenden identifiziert werden. So ist etwa "Iusticia" (Gerechtigkeit) mit einer Waage abgebildet.
Bemerkenswert ist das Bildprogramm in den oberen Zonen der Tafeln, die allesamt Szenen aus dem Alten Testament zeigen. Sie sind keineswegs zufällig ausgewählt, sondern entsprechen dem christlich theologischen Konzept der "Typologie" aus dem 3. Jahrhundert, das sich mit der Frage nach dem Verhältnis zwischen dem Alten und dem Neuen Testament beschäftigt. Die Opferung Isaaks (Altes Testament) verweist etwa auf den Opfertod Jesu (Neues Testament). Auf einer anderen Tafel ist Jakob auf einem Thron zu sehen, wie er seine beiden Enkel segnet.
Wichtiges Detail sind die überkreuzten Arme, auf die auch die Inschrift aufmerksam macht: Der Überlieferung nach segnete er nicht wie üblich den Erstgeborenen, sondern den Zweitgeborenen. Typologisch gesehen entspricht hier der Erstgeborene dem ersten Testament, dem hier das jüngere, zweite Testament vorgezogen wird. Die Idee der Typologie dient also der Legitimation des christlichen Glaubens, in dem die christliche Bibel als Vollendung des Alten Testaments gesehen wird.
Diese Emailtafeln sind von einer solchen Farbfrische, dass man ihnen ihr Alter nicht ansieht: Sie entstanden vor mehr als 800 Jahren. Es gibt kaum Techniken, die zu haltbareren Ergebnissen führen als die Emaillierung und Feuervergoldung von Kupferplatten. Ihr ursprünglicher Verwendungszweck ist ungeklärt, möglicherweise waren sie an einem Tragealtar oder einem Reliquiengefäß angebracht.