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Megan Rooney. Green, I Want You Green

Sie können einen fliegenden Baum sehen, der aus dem Erdboden in einen windumtosten Himmel gerissen wird. Sie sehen Körper, sich seltsam windend, kriechend und lauernd inmitten eines Farbrausches. Vielleicht sehen Sie ein Firmament, unheilig und voller rebellischer Schattierungen: gebranntes Korallenrot, poliertes Orange, Rosé, Rosa, Purpurrot, Lila, Azur, Türkis, Königsblau, Dunkelgrün, Matschgrün, Lodengrün, Gelbgrün, Salbeigrün – eine sensible, leckende, streckende, gewölbte, verwischende Atmosphäre, die sich nur so weit ausbreitet, wie es die Arme einer Person ermöglichen, bis hin zu den Decken und Wänden, obwohl sie sich noch weiter ausdehnen möchte.

Sie entdecken Wolken und Kratzer erscheinen wie Hieroglyphen, oder langsam untergehende Sonnen und bedrohliche und verführerische Farben, so schwarz wie eine Pupille, ein glücklicher Zufall, wie das Blinzeln eines Lidschlags, und es blinzelt wieder, ist plötzlich anders, und aber niemals dasselbe.

Rooneys Werk möchte, dass man wieder und wieder hinschaut, aufmerksam betrachtet, das Echo von Formen erfasst – das Potential erkennt, das tief in allen Gegenständen und Bildern liegt, ihr geheimes Leben und ihre nicht realisierten Wünsche, mit dem Wissen, dass sie sich jederzeit verwandeln können, verwandeln werden, genau wie man selbst.

Hier geht es nicht um Pareidolie oder Kunstfertigkeit, sondern darum, wie viele verschiedene Welten ein Bild enthalten und in wie viele Tiefen ein Auge sehen kann. Rooney baut ihre Werke in sorgfältigen, intuitiven Farbschichten auf, in denen Formen, Flecken, Winkel, Linien, Tropfen und Schwaden ihre eigene prozessuale Logik entfalten, sich überlagern, bevor Rooney sie wieder reduziert, abschleift, nur um sie dann erneut aufzubauen: Jedes Gemälde ist eine Zeit- und Raumkapsel, ein Palimpsest aus Mühe und Sorgfalt, ein Portal in ein intimes Gespräch zwischen Künstlerin und Leinwand, in dem die Reise des Werkes direkt unter seiner Oberfläche pulsiert.

Performance ‚Everywhere Been There‘, 2020. Mit Temitope Ajose-Cutting und Leah Marojevic.
Foto: Michael Groessinger, © Salzburger Kunstverein

Megan Rooney ist eine enigmatische Geschichtenerzählerin, deren Werk sich über Malerei, Performance, Skulptur und Installation spannt. Sie wurde in Südafrika geboren und ist in Kanada aufgewachsen. Rooney verbindet in ihrer künstlerischen Praxis ihre beiden Stile monumentaler abstrakter und intimer gegenständlicher Malerei mit Bildhauerei, Tanz und Performance. Megan Rooney ist bekannt für immersive, großformatige Wandmalereien. Als Artist-in-Residence 2020 wurde sie eingeladen, den Großen Saal sowie die Ringgalerie zu gestalten (die Ausstellung in der Ringgalerie wird ein Jahr lang zu sehen sein). Zusammen bilden diese zwei Ausstellungen die größte Einzelpräsentation, die je im Salzburger Kunstverein zu sehen war.

»gebranntes Korallenrot, poliertes Orange, Rosé, Rosa, Purpurrot, Lila, Azur, Türkis, Königsblau, Dunkelgrün, Matschgrün, Lodengrün, Gelbgrün, Salbeigrün«

Green, I Want You Green
Acryl, Pastell, Öl auf Leinwand, 200 × 150 cm
Foto: Courtesy the artist and DREI, Köln. Foto: © Andrew Phelps
Circling Nude
Acryl, Pastell, Öl auf Leinwand, 200 × 150 cm
Foto: Courtesy of the artist and DREI, Köln. Foto: © Andrew Phelps
Invisible Mountain
Acryl, Pastell, Öl auf Leinwand, 200 × 150 cm
Foto: Courtesy Privatsammlung. Foto: © Achim Kukulies, Düsseldorf
Downtown Shine
Acryl, Pastell, Öl auf Leinwand, 200 × 150 cm
Foto: Courtesy of the artist and DREI, Köln. Foto: © Andrew Phelps
Paying off the Angels
Acryl, Pastell, Öl auf Leinwand, 200 × 150 cm
Foto: Courtesy Privatsammlung. Foto: © Achim Kukulies, Düsseldorf
TEETH AND LIGHTNING
Acryl, Pastell, Öl auf Leinwand, 200 × 150 cm
Foto: Courtesy Privatsammlung. Foto: © Achim Kukulies, Düsseldorf
Ausstellungsansicht Megan Rooney 2020.<br />
Foto: Achim Kukulies, © Salzburger Kunstverein
Ausstellungsansicht Megan Rooney 2020 (Ringgalerie).
Foto: Achim Kukulies, © Salzburger Kunstverein

Rooneys immersives Wandgemälde Big Sky Blooming, das auf die Räumlichkeiten des Gebäudes reagiert, gegen die es sich wehrt und rebelliert – indem es Eintretende sofort vereinnahmt – befasst sich mit der radikalen Unbeständigkeit, die heute vorherrscht. Wir können nicht bleiben, genauso wie nichts für immer andauert oder ist. Dies ist eine riskante Behauptung in der Kunst, die so oft von der Nachwelt und materiellen Werten bestimmt ist.

Gleichwohl ist es wahr, dass ein Bild sich unauslöschlich in das geistige Auge einprägt, wo man es aufbewahren, hervorholen und jedes Mal etwas Neues sehen kann – sei es aufmunternd, ermutigend, zerbrechlich, provokativ oder beängstigend.

Text von Emily LaBarge

 

 

 

Courtesy the artist & Thaddaeus Ropac Gallery