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Eröffnung: Fr, 19.02.2021 | 15 Uhr
Salzburger Kunstverein
20.02.2021 - 25.04.2021

... Line as Thought, Lines as Universe ...

... Line as Thought, Lines as Universe ... ist eine Ausstellung, die zeitgenössische Zeichnungspraktiken im Vergleich zu einigen Pionieren der abstrakten Zeichnung aus den vergangenen Jahrzehnten untersucht. Das Ausstellungskonzept wurde zunächst von Zeichnungen der verstorbenen rumänischen Künstlerin Alina Popa inspiriert. Während einer Krankheit und bis zu ihrem Tod im Jahr 2019 schuf Alina Popa ein unglaubliches Werk an Zeichnungen, die ihre Erfahrungen zutiefst bewegend darstellen. Die anderen ausgestellten Zeichnungen in der Ausstellung gehen in verschiedene konzeptionelle und expressive Richtungen und erforschen das Potenzial der Zeichnung als Kunstform, um das Unaussprechliche und Unfassbare darzustellen, sowie Ideen, Raum und das Unbekannte in visueller Form zu umrunden und schließlich die Grenzen von Sprache und Denken zu testen.

Künstler_innen: William Anastasi, Nina Canell, Carlfriedrich Claus, Attila Csörgő, Christoph Fink, Habima Fuchs, Nikolaus Gansterer & Alex Arteaga, Monika Grzymala, Karel Malich, Isabel Nolan, Morgan O’Hara, Alina Popa, Stuart Sherman.

Kuratiert von Séamus Kealy & Nikolaus Gansterer.

Einleitung von Séamus Kealy

2019 traf ich Nikolaus Gansterer und wir einigten uns darauf, gemeinsam eine Gruppenausstellung mit Zeichnung zu kuratieren. Seit frühester Konzeption stand die Ungewissheit im Mittelpunkt. Das ist das Herz und die Natur der Arbeiten der teilnehmenden Künstler_innen, die sich in vielen wunderbaren Ansätzen mit Vorstellungen von Ungewissheit, dem Nicht Wissen und dem Unerklärlichen durch Zeichnen auseinandersetzen. Wir sehen auch Gesten des Zeichnens, die sich mit der Darstellung des Unbeschreiblichen beschäftigen, wie zum Beispiel Bewegungen durch Zeit und Raum oder die „Agency of Rain“. Angesichts dieser flüchtigen Vorstellungen, die sich in vielen Arbeiten zeigen, ist es umso wichtiger, dass wir diese Ausstellung nach einem Jahr andauernder globaler Ungewissheit beginnen. Diese kollektive Ungewissheit und auch die großen Verluste machen die Ausstellung umso greifbarer. Es war nie Absicht, sich konzeptionell an eine Pandemie anzuhängen. Wir wollten uns dagegen wehren, dass sie oder die damit verbundenen Krisen den Inhalt dieser Ausstellung beeinträchtigen oder beeinflussen. Heute ist mir klar, dass jeder Widerstand zwecklos ist. Stattdessen ist es am besten, diesen Hintergrund einfach sein zu lassen. Auf jeden Fall betreten einige ausgestellte Arbeiten schwieriges emotionales, existenzielles und psychologisches Terrain, nicht unähnlich dem Terrain, in dem wir uns immer noch bewegen. Trotzdem hoffe ich, dass die Zeichnungen unsere Besucher_innen nicht nur zum Staunen bringen, sondern auch Hoffnung wecken.

 

Die Idee zu dieser Ausstellung entstand vor zwei Jahren, noch bevor ich Nikolaus kennenlernte. Anfang 2019 erhielt ich eine E-Mail vom irischen Künstler Declan Clarke, in der er mich darüber informierte, dass die rumänische Künstlerin Alina Popa gestorben war. Es war an ihrem 37. Geburtstag, als sie bewusstlos wurde und nicht mehr erwachte. Sie hatte lange mit Krebs gekämpft. Ich hatte Alina vor ungefähr zehn Jahren auf einer kuratorischen Forschungsreise nach Bukarest getroffen. Ich erinnerte mich an sie und ihre Partnerin, Irina Gheorghe, die das Bureau of Melodramatic Research gegründet hatten, während beide parallel individuelle künstlerische Aktivitäten verfolgten. Nachdem ich Declan mein Beileid übermittelt hatte, schickte er mir einen Link zu Scans von Zeichnungen, die Alina in ihren letzten Monaten angefertigt, sowie einen Text, den sie geschrieben hatte. Er schrieb: „Alina machte einige wunderschöne Zeichnungen, bevor sie starb. Es war ihr nicht mehr möglich, mit der rechten Hand zu zeichnen, also verwendete sie ihre linke. Es sind sehr traurige Zeichnungen, voller Angst und voller schrecklicher, furchtbarer Schmerzen, die sie ertragen musste. Ich bewundere Künstler_innen, die immer noch arbeiten wollen, selbst wenn sie ihre Stifthand nicht mehr benutzen können. Was sie in ihrer Arbeit zurücklassen, kann wirklich zeitlos sein. Jetzt und in Zeiten von Krankheit werden wir in diesen Zeichnungen Trost finden – ein wunderbares Geschenk von Alina.“ Alina hatte 248 Zeichnungen in kleinen Skizzenbüchern angefertigt, jede ein Ausdruck ihres Leidens, ihrer Gedanken, ihres Zustandes, ihrer Empfindungen, ihrer Spiritualität. Unter jede dieser wunderschönen abstrakten Zeichnungen schrieb sie kleine Bildunterschriften, wie z. B. „Pain and Sensation around Tumor“ (Schmerz und Empfindung rund um den Tumor) oder „Distribution of Attention to Sensations“ (Verlagerung der Aufmerksamkeit zu den Empfindungen), jeweils mit dem Datum der Fertigstellung. Diese Zeichnungen waren so bewegend, dass ich mich entschloss, sie auszustellen. Es verging jedoch noch einige Zeit, bis ich Kontakt mit Alinas Partner Florin Flueras aufnahm, der sich großzügig bereit erklärte, uns ihre Zeichnungen zur Verfügung zu stellen. 
 

Im gleichen Jahr entdeckte ich die Arbeiten von Nikolaus Gansterer in der Galerie Crone in Wien. Beim Betreten der Ausstellung stand ich vor einer Wandinstallation mit Zeichnungen, sorgfältig arrangiert fast wie eine Tabelle der Elemente, mit weißen Zeichnungen auf Schwarz, an Tafeldiagramme erinnernd, sowie wirbelnde abstrakte Kompositionen auf verschiedenen Materialien, neben kleinen Skulpturen auf Regalen vor einer unvollständigen Wand in Rosa. Alles mit großer Sorgfalt arrangiert. Kleine gerahmte Fotos seiner Zeichnungen waren neben unterschiedlich skalierten Handzeichnungen arrangiert, die abstrakte Figuren oder Linien von „Hypothesen“ wiedergaben, die immer wieder in anderen Formationen aufzutauchen schienen. Eine Vitrine mit einer „Sammlung von gefundenen Linien (Paris)“ befand sich unscheinbar vor der Installation. Ich war beeindruckt von dieser Arbeit, besonders vom Gefühl des Suchens und Hinterfragens, mit dem er sich beschäftigte. Es schien offene Fragen zu geben, die durch das gesamte Werk zirkulierten, und der Künstler schien sich damit wohl zu fühlen, dass es keine klaren Antworten gab. Ich war berührt von der Tatsache, dass der Künstler eine Unvollständigkeit im Herzen seines Werks akzeptierte. Augenblicke später wurde ich ihm vorgestellt. Bis heute schätze ich unsere Gespräche, nicht nur bei der Planung dieser Ausstellung, sondern auch bei persönlicheren Themen.
 

Das Ausstellungskonzept entstand, nachdem ich Alinas Arbeit mit der von Nikolaus verbunden hatte. Ich lud Nikolaus ein, mich mit seiner Expertise im Bereich des Zeichnens zu unterstützen. Freundlicherweise hat er zugesagt. Ein Großteil der Arbeiten, so beschlossen wir, sollte abstrakt oder weniger abstrakt sein, und insgesamt sollten sie mit Begriffen der Unverständlichkeit, des Unbekannten und des Unerklärlichen in Berührung kommen. Wir sahen einige der Arbeiten zwischen Wissenschaft und Mathematik und Spiritualität schweben, an keinem der beiden Pole ganz zur Ruhe kommend. Ich hatte mich auch, etwas naiv, mit Wahrscheinlichkeitstheorien und Überschneidungen von Physik und Mathematik beschäftigt: Frank Ramsey, Wittgenstein, sogar Alan Turing. Ich hatte damals keine Ahnung, ob diese Assoziationen irgendeinen Zusammenhang haben würden. Aber dieses Gefühl der Ungewissheit, als kuratorischer Impuls ebenso wie als künstlerischer in den vertretenen Arbeiten, verbindet das Projekt.

Wir teilten uns die kuratorische Rolle, wobei Nikolaus mit einer Auswahl „bahnbrechender“ Künstler_innen und einiger Zeitgenossen beitragen konnte, und ich nicht nur Alinas Arbeiten zeigen wollte, sondern auch andere Künstler_innen, deren Arbeiten ich in den letzten Jahren verfolgt hatte. Anfangs hatten wir sogar, wenn auch im Scherz, darüber nachgedacht, mathematische Zeichnungen auf Kreidetafeln neben anderen Referenzen in Form von Künstlerarbeiten zu zeigen. Einen Moment lang wollten wir auch Zeichnungen Künstlicher Intelligenz mit einzubeziehen, aber das haben wir dann doch verworfen, da es von den zentralen Voraussetzungen abwich. Wir überlegten auch, Beispiele von Pionieren der forschenden abstrakten Zeichnung einzubeziehen, z. B. Joseph Beuys, Hilma af Klint, Emma Kunz oder William Anastasis. Glücklicherweise konnten wir Arbeiten von Anastasis bekommen und erstellten eine Liste von Künstler_innen, deren Arbeit dazu beitragen würde, oben genannte Kriterien des Unbekannten und Ungreifbaren zu erfüllen. Einige der Arbeiten betreten Gebiete des erweiterten Zeichnens, andere sind direkter im Ausdruck, andere fast kartografisch, und andere wiederum in von den Künstler_innen geschaffenen Systemen. Andere sind skulptural und beinhalten manchmal nicht von Menschen Gezeichnetes, aber alle Arbeiten dieser Ausstellung sind auf die eine oder andere Weise Ausdruck des Zeichnens.

Es gibt zwei Audio-Touren, die die Ausstellung begleiten, eine auf Deutsch von Nikolaus und eine auf Englisch von mir. Zudem wird Ende April ein Katalog erscheinen mit Texten von Séamus Kealy, Nikolaus Gansterer, Ann Cotten und Klaus Speidel. Diese Broschüre ist der erste diskursive Schritt in der Auseinandersetzung mit der Ausstellung, und wir freuen uns darauf, die nächsten Elemente in den nächsten Wochen zu produzieren.